Beilage zur Pädagogischen Post in Bochum.
Darbietungen, Anregungen und Vorschläge au» der Schulpraxis ♦ Erscheint monatlich einmal ♦ Sonderbezug ist ausgeschlossen.
Nummer 5
Samstay, den 4. Oktober 1-24
Inhalt: Schäfers Sonntagslied. — Neuland. — Waldmännchen. — Vollkommenere Einrichtung der Schulchronik. — Arbeitsplan
der Lehrer-Arbeitsgemeinschaft Ahaus.
Schäfers Sonntagslieö.
Unterrichtsbild von H. Rüther, Vinsebeck.
Müde ist am Sonnabend die Woche vom lauten Schaffen und
Plagen. Die Dämmerung kommt; sie wird dichter. Stiller werden
die Geräusche, es ist, als gingen die Leute leiser auf den Straßen
weil nun schon Abend und über Nacht Sonntag ist. Die Frühe
kommt. Der Morgen graut von fernher. Sein erstes, blasses
Dämmern grüßt einen Schäfer, der eben die breite Scheunentür
öffnet (Geste!), um seine Herde hinauszulassen. Gib mir ein Bild
seines Aussehens!
Erster Schüler: Rüstig, mit festem Schritt, tritt er vor seine
Herde. Hell blickt sein Auge in den jungen Morgen. Sein Gesicht
ist aber durchfurcht von tiefen Runzeln, auch ihm ist das Leid nicht
erspart geblieben.
Zweiter Schüler: Vielleicht liegt weit draußen in fremder Erde
sein hoffrrungsvoller Sohn begraben, und das ist ihn: der größte
Schmerz.
Dritter Schüler: Den langen Stab in der Hand, begleitet von
seinen treuen Hunden, gehh er mit seiner Herde den breiten Hofweg
entlang, der ins Feld sühn.
Lehrer: Zwiesprache hält unser Frermd mit den Bäumen, die
am Wege stehen. Dort, zu seiner Rechten, wachsen junge kräftige
Obstbäume, die noch unerfahren in den Morgen hineinsehen, dort,
zu seiner Linken, grüßt er die alten und schief gewachsenen Freunde,
die, gebeugt von der Last der Jahre, mit krummem Buckel ihr:
freundlich , anblicken. Und sie bewegen leise ihre altersgrauen
Aeste und flüsternd sprechen sie: „Schäfer, all die Jahre bist du an
uns vorbeigezogen, deine Freunde war auch unsere Freude, dein
Schmerz auch unser Schmerz. Heute aber ist Sonntag. Erlebe ihn
dort oben auf Deiner Bergwiese in seiner ganzen Tiefe und Innig
keit." Der Schäfer nickt beseligt, Bäume und Blumen sind seine
Freunde, aber auch Frau. Sonne, die eben in ihrer gottgeschaffenen
Herrlichkeit ans der Tiefe emporsteigt. Still steht unser Freund,
ihm ist dieses Wunder immer neu. Seelenglanz auf seinen Augen,
sangt er dieses wunderbare Bild tief in sich ein. In heiliger Er
griffenheit breitet er seine Arme ans (Geste!) und eine Stimme in
ihm sprüht: „Gott, ich grüße dich, dankbar und innig. Wie gütig
bist du, da ich allein an deinem Sonntage deine Schöpfung erleben
darf ."
In frommer Feier steht betend Wiese, Feld und Wald. Der
Friede Gottes waltet. Er ruht segnend auch auf dem stillen Dörf
chen, das zwischen den bunten Farben des Frühherbstes gar lieblich
hervorlugt. Und — nun hebt ein Klingen an. Leise, zag
haft zuerst, dann lauter und voller. Und horch, auch driiben vom
Grunde tönt's herauf: „Bimbam, bimbam, bim — mmnnn "
Schüler: Ich sehe den Schäfer, wie er still im Grase kniet,
sein Haupt gesenkt hält, reumütig an seine Brust schlägt und höre
sein frommes Gebet: ,.O Jesus, sei mir gnädig; o Jesus, sei mir
barmhüczig; o Jesus, verzeihe mir meine Sünden."
Lehrer: Der Außenwelt ganz entrückt, ist unser Schäfer ganz
Seele, ganz Hingebung. Im Geiste weilt er in seinen: dämmernden
Dorfkirchlein, sieht dunkel neben sich dl? ,>VTen andächtigen, in sich
versunkenen Beter. Wie gern weilt er wn Kirchlein. Und aufmerk-
sani lauscht er den Predigten, die ihm von Gottesglück und Gottes
sehnsucht erzählen. Einige Evangelien hört er besonders gern. —
Erster Schüler: Das ist doch sicher die Erzählung vom guten
Hirten. Jedes Wort der Predigt hält sein Gedächtnis fest, auf ein
samer Höh' überdenkt er die Mahnungen des Priesters, baut sie
aus und trägt eigene Gedanken hirrzu.
Zweiter Schüler: Zu seinen Lieblingspredigten gehört aber
ailch die Weihnachtserzählung von den Hirten, denen der Engel die
Botschaft von der Geburt des Heilandes überbrachte. Dann stehen
die stillen Fluren von Beiblehenl vor seinen Angen> die mond-
beglänzte Stacht grüßt auch ihn, und er hört die lieblichen Worte
aus dem Munde des Engels.
Lehrer: Der Schäfer steht auf. Wie blau wölbt sich der
Himmel über der taunassen Erde. Welch zartes Leuchten flammt
in ihm auf. Will sich das weite Himmelstor öffnen, wollen Engel
chöre herniedersteigen, der Welt zu künden: „Heut' ist der Tag des
Herrn?" Ja, das kündeten soeben ailch die Glocken, die Bäume, die
Wiese und der Wald, das sagt ihm auch sein eigenes Jnllere und
jubelnd steigt's aus seinem kindlich frommen Herzell:
Das ist der Tag des Herrn!
Ich bin allein auf weiter Flirr;
noch eine Morgenglocke nur;
nun Stille nah und fern.
Anbetend knie ich hier
O süßes Graun — geheimes Wehrr!
Als kllieien viele ungesehn
und beteten mit mir.
Der Himmel nah und fern,
er ist so klar und feierlich,
so ganz, als wollt' er öffnen sich.
Das ist der Tag des Herrn.
(Das Gedicht wird zweimal vorgetragen. Beim zweiten Male
lesen die Kinder still mit."»
Schüler: Beim Vortrag, des Gedichtes kam mir der weite Platz
an der Markuslinde in den Sinn. Den Hohlweg ist der Schäfer
mit seiner Herde gezogen, bei der rauschenden Linde hat er seinen
Sonntag gefeiert. Schöll ist es hier. Oft war ich dort mit meinen
Freunden, klang dann Glockenschlag an unser Ohr, zog tiefe An
dacht in unser Herz.
Zweiter Schüler: Ja, der Sonntag hat seine besondere'Feier.
Wenn ich des Morgens früh aufstehe, frisch gewaschen in meinen
Sonntagskleidern umhergehe, grüßt nrich alles mit ganz anderen
Augen, wie auch unserm Schäfer heute die Natur so feierl'ch er
scheint. Die blankgescheuerte Stube ruft mir zu: „Heut' ist Sonntag",
die frisch begossenen Gerauinr winken: „Heut' ;ft der Tag des
Herrn."
Lehrer: Und vor dein Hochamte seht ihr zufriedene Gesichter
zur Kiräie schreiten. Für alt und jung ist der Tag gesegnet. Und
mögen auch nach der heiligen Messe die Männer in Gruppen zu
sammenstehen. während das junge Volk die Straßen auf- und ab
schleudert, alles ist aber so gvldig verklärt, vom göttlichen Hailche
überströmt.
Der Friede Gottes waltet. Heute
Hörst du den Schmerzlaut nicht des Tiers,
Nicht flieht das bange Wild die Meute;
Es fiel das Joch vom Hals des Stiers.
Die Vöglein leis und feiernd schlagen.
So seltsam spielt der Abendwind,
Als wollt' er ein Geheinmis sagen
Von cw'ger Huld dem Gotteökind.